Lesestoff

Sarah Kuratle
Greta und Jannis

Kein anderes Buch hat mich dieses Jahr so sehr bewegt wie dieses Romandebüt. Sarah Kuratle erschafft eine märchenhafte Welt, in die sie ein altes Motiv setzt: zwei Liebende, die nicht zu einander kommen können und es doch immer wieder schaffen. Die Geschichte von Greta und Jannis scheint aus der Zeit gefallen zu sein und erzeugt eine betörende Lesemagie.

Es ist für mich „das“ Buch meines Lesejahres: diese Reise ins Gebirge, zu Greta und Jannis, die Nachbarskinder waren, hier im letzten Dorf, wo unendlich viel Schnee liegt und im Spätsommer ein Apfelbaum goldene Früchte trägt. Dort – vor acht oder in einhundert Jahren, so der Untertitel des Romans – eröffnet sich eine märchenhafte Welt, die aus der Zeit gefallen scheint.


dein Herz, du trägst es wie ein Kind im Gesichtsausdruck


Greta und Jannis wachsen wie Geschwister auf – bis sie ihn eines Tages auf den Mund küsst und alles anders wird. Sie verlieben sich ineinander und sollen doch kein Liebespaar sein. Ein Geheimnis ihrer Familien liegt zwischen ihnen. Später wird es ein Gebirgszug sein, denn Jannis geht zum Studieren in die Stadt und kehrt nicht mehr zurück. Greta lebt weiterhin auf dem kleinen Hof, der wie eine Burg über dem Dorf thront. Dort umsorgt sie mit Tante Severine drei Kinder, die eines Tages auftauchen. Keiner weiß, woher sie kommen. Sie scheinen, ausgesetzt worden zu sein. Tante Severine schweigt über deren Mütter, aber schimpft täglich über die Väter: Hast du Gott heute schon gedankt, dass du keinen Mann hast?, fragt sie Greta. Und Greta verneint. Lieber denkt sie daran, wann sie das nächste Mal in die Stadt fahren kann, um mit Jannis eine Nacht zu verbringen.


manchmal tut es gut zu weinen


Hinter dem kleinen Hof mit seinem Apfelbaum und den goldenen Früchten, die er alle acht Jahre trägt, steht eine Burg. Sie ist seit vielen Jahren verlassen und doch dringt manchmal Lichtschein durch die Bäume. Eines Tages kommt ein Fremder im Dorf an – Cornelio. Er mietet ein Häuschen, geht aber regelmäßig zur Burg. Auf dem Weg dorthin kommt er bei Greta vorbei, die ihm irgendwann folgt. Während sie durch die verlassenen Zimmer der Burg spazieren, erzählt ihr Cornelio von seiner Familiengeschichte, die ebenfalls voller Geheimnisse ist. Dann kommt der Frühling, Greta trifft den Vater von Jannis in den Bergen, Tante Severine wird wunderlich und eines Tages ist der Himmel anders. Nun offenbaren sich die Geheimnisse im letzten Dorf im Gebirge…

Eindrucksvolle Bilder, Sätze voller Melodie, zwei Menschen, die ohne einander nicht können, eine kunstvoll gewebte Handlung mit Geheimnissen und einer wunderbaren Fügung – das Buch von Sarah Kuratle verzaubert auf allen Ebenen.

Im Otto Müller Verlag um € 22,-

Ding meines Lebens
Eine Geschichte, die aus der Zeit gefallen scheint und eine betörende Magie entfaltet: Kein anderes Buch hat mich in diesem Lesejahr so sehr berührt wie „Greta und Jannis“ von Sarah Kuratle.